Der Schein trügt… die zweifelhafte Sicherheit fairer Siegel und Zertifikate bei Textilien
Bei meinem Besuch der Munich Fabric Start hatte ich die Gelegenheit mit Anbietern verschiedenster Fair-Trade- und Nachhaltigkeitszertifikate zu sprechen. Insbesondere der Termin mit der Fair Wear Foundation war sehr aufschlussreich. Diese Organisation steht für faire Arbeitsbedingungen und gute soziale Standards im textilen Umfeld. Da man diese Punkte nur unterstützen kann, habe ich mich bei der Fair Wear Foundation über die Bedingungen der Zertifizierung informiert.
Die Antwort auf unsere Anfrage war relativ kurz und ernüchternd. Gegen eine Zahlung von mehreren tausend Euro kann man Mitglied der Foundation werden und das Siegel beim Verkauf der Socken nutzen. Voraussetzung ist natürlich, dass sämtliche notwendigen sozialen Standards eingehalten werden. Dies sei bei einer Produktion innerhalb Deutschlands aber nicht weiter erwähnenswert, da Deutschland als sicherer ‚Standort‘ gelte und eine weitere Kontrolle der Unternehmen seitens der Foundation nicht notwendig sei. Jetzt kommt der schier unglaubliche Punkt: Wichtig sind nur die Standards und Arbeitsbedingungen im letzten Betrieb der textilen Kette. Alle anderen Verarbeitungsschritte wie z.B. die Baumwollernte oder die Färbung des Garns ist für die Fair Wear Foundation belanglos. Ausgerechnet das sind aber die Arbeitsschritte, bei denen Kinderarbeit existiert und Arbeiter den ganzen Tag mit verbotenen Chemikalien in Kontakt sind. Konkret bedeutet das: Solange der letzte Arbeitsschritt innerhalb der EU ausgeführt wird, können bei den vorausgehenden Arbeitsschritten menschenunwürdige Bedingungen herrschen. Diese Textilien dürfen dann ganz offiziell unter dem Siegel der Fair Wear Foundation verkauft werden.
Auf meine Rückfrage, warum dies so gehandhabt wird und warum nicht auch die ersten Betriebe in der Kette kontrolliert werden, erhielt ich die Antwort, dass hierzu schlicht die Expertise fehlt. Alle diese Informationen habe ich persönlich im Gespräch am Messestand der Foundation erhalten!
Unsere Einstellung gegenüber der Zertifizierungsbranche hat sich damit nur verfestigt. Bis auf sehr wenige Ausnahmen dienen solche Zertifikate lediglich als Marketinginstrument. Wir werden davon Abstand nehmen und deine Socken nicht zertifizieren lassen. Vielmehr arbeiten wir mit voller Transparenz. Wir suchen die Unternehmen sorgfältig aus, besuchen sie vor Ort und berichten dir darüber. So kannst du auch ohne Zertifikat sicher sein, dass bei uns alle sozialen Standards eingehalten werden!
Nachtrag: Ich möchte hier explizit erwähnen, dass die Fair Wear Foundation in keinster Weise behauptet, dass ihre Zertifizierungen anders ablaufen! Ich persönlich finde es jedoch verwerflich, da ein solches Siegel deutlich mehr Fairness suggeriert, als es dann tatsächlich umsetzt. Hier sollte klar kommuniziert werden, dass nur der letzte Betrieb in der textilen Kette zertifiziert werden muss und die sozialen Standards bei einem Großteil der Verarbeitungsschritte nicht gewährleistet werden.
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